III. URBANE INTERVENTIONEN: künstlerische Projekte und Experimente, im Zentrum und an der Peripherie

Produktion, Vernetzung und Vermittlung als ortsspezifische künstlerische Praxis in und um die station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf

Adam Page (Berlin)
Die station urbaner kulturen hat sich seit 2014 aus dem Projekt „Kunst im Untergrund“ zum zweiten Standort der nGbK in (Berlin-)Hellersdorf entwickelt. Dem einst jüngsten Stadtteil der DDR, dessen Geschichte nach 1989 und seinem aktuellen Wandel sind durchgehend Fragen zu sozialer Stadtentwicklung, Gemeinwohl und gesamtstädtischen Zusammenhängen eingeschrieben. Die dort stattfindenden Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekte verhandeln diese Themen aus verschiedenen Perspektiven und sind geprägt durch die künstlerische Praxis der Beteiligungsformate: Sie wirken in das Quartier hinein und erzeugen neue öffentliche Räume. So wie die Grünfläche, die seit 2016 auch „Place Internationale“ genannt wird, sind es Orte der künstlerischen Interaktion mit der Anwohner:innenschaft und der gemeinschaftlichen Gestaltung für ein Miteinander im Bezirk.

Polyvalente Alltagsorte. Eine Reflexion über den performativen Exkurs in den Stadtraum von São Paulo

Martina Baum und Markus Vogl (Stuttgart)
Polyvalente Alltagsorte bilden die Grundlage einer Alltäglichkeit des Städtischen, des Gewöhnlichen im besten Sinne: Hier passiert das tägliche Leben. Der Artikel beleuchtet den Begriff der Polyvalenz im Kontext von Architektur und Städtebau und stellt das Repertoire der polyvalenten Elemente vor, die eine Basis für Identifikation und Interaktion zwischen Mensch und Raum sind. Das Repertoire umfasst geometrische Formen, die zu archetypischen Formen weiterentwickelt polyvalente Wirkung entfalten können. Wir nutzen diese bekannten, gewöhnlichen Elemente, die für jeden benennbar sind, um über die Bedeutung von Aneignung und Aneignungspotenzial in Stadt, Architektur und Freiräumen zu diskutieren. Die radikale Normalität dieser Elemente, ihre Wirksamkeit und Sichtbarkeit im Alltäglichen liefern uns die Basis für eine niederschwellige und spielerische Auseinandersetzung mit der Thematik. Im Rahmen der 12. Bienal Internacional de Arquitetura in São Paulo haben wir eine Einladung für eine solche entwerferische Auseinandersetzung ausgesprochen und räumliche Interventionen für den Praça da República mit diesem Repertoire entworfen und realisiert.

Die entblößte Stadt

Ulrike Krautheim (Tokyo)
Der Beitrag beleuchtet die Aktivitäten der Performance-Gruppe Zero Jigen (Zero Dimension), einer der radikalsten Formationen der japanischen Happening- und Performance-Szene der 1960er Jahre, über den Zeitraum von 1960 bis 1970. In einer Phase, in der die Traumata des Zweiten Weltkrieges im Bewusstsein der Bevölkerung noch stark präsent sind und zugleich eine Welle der Modernisierung die gesamte Gesellschaft überschwemmt, beruft sich Zero Jigen wie einige andere „ritualistische Künstlergruppen“ dieser Zeit auf Elemente einer vormodernen japanischen Kultur in der Idee, das menschliche Sein an seine Ursprünge, seinen ‚Nullpunkt‘ zurückzuführen. Während die urbanen Interventionen von Zero Jigen in der ersten Hälfte der 1960er Jahre auf die Konfrontation der (in vielen Fällen nackten) Körper der Performer*innen mit dem in einem rasanten Transformationsprozess befindlichen Stadtraum abzielen, nehmen die Aktivitäten im Vorfeld der 1970 stattfindenden Osaka Expo einen zunehmend politischen Charakter an. Zero Jigens Aktivitäten spiegeln exemplarisch die enge Verzahnung von Avantgarde-Kunst mit der politischen Entwicklung in Japan der 1960er Jahre wider und dokumentieren einen Prozess der Verdrängung des performativen Körpers aus dem öffentlichen Raum.