I. INFRA-STRUKTUREN: UNTERSUCHEN, BEWEGEN, ÜBERSCHREIBEN

Infra-Strukturen, Netzwerke und Plattformen

Barbara Büscher (Leipzig/Köln)
Der Begriff Infrastruktur und die mit ihm beschriebenen materiellen, sozialen und kommunikativen Bedingungen des Zusammenlebens sind seit den 2000er Jahren verstärkt von verschiedenen Wissenschaften kritisch untersucht und seit kurzem auch zum Gegenstand künstlerisch-kuratorischer Arbeiten geworden. Die Veränderungen von und Verschiebungen in Infra-Strukturen -sichtbare und unsichtbare, von der globalisierten Ökonomie gesteuerte oder von unten, aus lokalen Communities betriebene –wurden in Fallstudien und strukturellen Analysen herausgearbeitet.Der Beitrag folgt dem Diskurs in den Bereichen Sozialwissenschaften/Anthropologie, Medienwissenschaften sowie Kunstwissenschaften/curatorial studies und untersucht die dort fokussierten Aspekte auf ihre Relevanz für ein aktualisiertes Verständnis von kultureller Infrastruktur. Auch hier: nicht verstanden als allein staatlich etablierte, geförderte und damit auch kontrollierte Infrastruktur, sondern um die Infra-Strukturen einer vielfältigen Praxis von unten, deren Bewegungen und daraus resultierenden neuen Formen des Institution-Werdens ergänzt.

ZEIT-FUGEN/inbetweens. Zwischenbericht aus einem szenografischen Forschungsvorhaben

Wolf Gutjahr (Mainz)
Das in diesem Text vorgestellte szenografische Forschungsprojekt ZEIT-FUGEN/inbetweens #1/#2/#3 untersucht die Wechselwirkungen zwischen aktuellen Bestandsgebäuden von Theatern und dort vorher entstandenen architektonischen und städtebaulichen Strukturen in Verbindung mit kollektiven Erinnerungen der jeweiligen Stadtgesellschaften. Ziel ist es, Thesen zur Definition, Visualisierung und Inszenierung der durch diese Überlagerungen entstehenden räumlichen Strukturen als szenische Kommunikationsorte zu formulieren. Mit ortsspezifischen temporären Realisierungsskizzen sollen Impulse für stadtgesellschaftliche wie auch theaterinterne kommunikative Prozesse gegeben werden. Bisher konnte das Vorhaben in drei sehr unterschiedlich ausformulierten Varianten in Braunschweig, Dortmund und Kassel konkretisiert werden.

metroZones Schule für städtisches Handeln

Kathrin Wildner (Berlin) / Zeichnungen von Eric Göngrich
Der folgende Text bezieht sich auf Ereignisse im Jahr 2015, als die Straßen und Plätze Europas mit temporären Camps und Demonstrationen von Geflüchteten besetzt waren. Gleichzeitig mit der Überforderung, dem Versagen der staatlichen Institutionen bei der Sicherung der Grundbedürfnisse der Ankommenden, gab es massive Mobilisierung freiwilliger Unterstützung sowie neue Formen der Selbstorganisation und zahlreiche lokale Solidaritätsinitiativen. Als Teil der Berliner Gruppe metroZones habe ich im Jahr 2015 – unabhängig, aber doch parallel zu den Ereignissen an den Grenzen und in den Zentren Europas – das Modellprojekt „metroZones Schule für städtisches Handeln“ konzipiert und koordiniert. Die Idee der Schule war es, stadttheoretische Ansätze mit Methoden der Stadtforschung und aktivistischen Praktiken zusammenzubringen, sie zu diskutieren und zu erproben, mit dem Ziel die Stadtgesellschaft aktiv mitzugestalten. Im November 2015 verband sich die „metroZones Schule“ mit der damals aktuellen Situation der Geflüchteten bei der Demonstration „Never Mind the Papers“ an einem Wochenende in Hamburg.

robotron-Kantine Dresden und Netzwerk ostmodern.org

Marco Dziallas (Dresden)
Das zivilgesellschaftliche Netzwerk ostmodern.org hat sich zusammen mit weiteren Initiativen in einem mehrjährigen Prozess für den Erhalt der robotron-Kantine in Dresden engagiert. Marco Dziallas, Akteur der Plattform ostmodern.org, skizziert in diesem Beitrag sowohl die Architektur der Kantine als auch ihre wechselvollen Entwicklungen von der Top-down-Stadtplanung mit beabsichtigtem Abbruch über die Eigentümerwechsel und verschiedenen kommunalpolitischen Positionen bis hin zur Kulturhauptstadtbewerbung, die zu neuen Nutzungskonzepten für die Kantine führte. Die Netzwerkarbeit, der Wissenstransfer über die digitale Plattform und der unmittelbare Austausch in Gremien und durch Aktionen vor Ort haben Wirkung gezeigt. Durch die Umnutzung konnte sich das Fragment des Robotron-Areals behaupten, neue kulturelle Infrastruktur entstehen und dieser zentral gelegene Raum für Ausstellungen wie Nordost Südwest des Kunsthauses Dresden – Städtische Galerie für Gegenwartskunst und die „13. OSTRALE Biennale für zeitgenössische Kunst“ genutzt werden.

robotron-Kantine Dresden 2023. Fotografische Erkundungen

Louis Volkmann (Berlin)
Louis Volkmann unternahm Anfang 2023 fotografische Erkundungen zur robotron-Kantine Dresden. Es entstand eine Serie, die Ansichten, Innenräume, Zwischenräume, Außenräume sowie das gesamte Areal zeigt und zugleich die verschiedenen Nutzungsschichten und damit verbundenen Erzählungen deutlich macht. Neben Raum, Architektur, Park und Stadt lassen die Bilder Spuren unterschiedlicher Entwicklungen erkennen, so die Nutzungsaufgabe und Verlassenheit, den Abbruch von Ensemblebauten, die bevorstehende Transformation zu einem neuen Wohnquartier, zugleich aber auch die jüngsten Umnutzungen der Kantine durch Kunstausstellungen und -projekte wie „[Prelude] Nordost Südwest und Campus Kantine“ des Kunsthaus Dresden – Städtische Galerie für Gegenwartskunst und seines Freundeskreises.